Gemeinnützigkeit und politische Bildung

Ergebnisse der Befragung zu den Folgen der Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht für politische Bildungsarbeit

Das Bundesfinanzministerium setzte am 12. Januar 2022 einen neuen Anwendungserlass zur Abgabenordnung in Kraft, in den Kriterien zur Bewertung politischer Bildungsarbeit als „gemeinnützig“ übernommen wurden, mit denen der Bundesfinanzhof Attac im Jahr 2019 die Gemeinnützigkeit entzog. Eine Befragung sollte Aufschlüsse darüber geben, wie die Entwicklungen im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechtes und ihre Folgen für politische Bildungsarbeit in der Bildungspraxis eingeschätzt werden.

Die Ergebnisse sind hier veröffentlicht. Die Auswertung verbleibt eng an den empirischen Daten. Ihre Interpretation ist eine wissenschaftliche und politische Aufgabe, die von breiter Beteiligung lebt.

In einem Etherpad können die Ergebnisse der Befragung anonym oder mit Nennung von Namen bzw. Trägern kommentiert werden. Ebenso können Links zu Stellungnahmen, weiterführenden Materialien o.ä. eingetragen werden. Das Pad wird nicht moderiert und lebt von sorgfältiger Nutzung: https://etherpad.h-da.de/p/Gemeinnuetzigkeit_Politische-Bildung

Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse (78 Antworten)

  • Nur in knapp der Hälfte der befragten Träger, die aktuell als gemeinnützig anerkannt sind (69), gibt es keine Befürchtungen, die Gemeinnützigkeit zu verlieren.
  • Besonders Bildungsträger, die sich an Menschen und/oder Gruppen richten, deren Stimmen in der Gesellschaft wenig Gehör finden, fürchten um ihre Gemeinnützigkeit.
  • Es gibt gravierende Konflikte mit Finanzämtern. 9 Antworten beziehen sich auf Träger, die die Gemeinnützigkeit verloren haben.
  • Ein nennenswerter Anteil der Träger befürchtet keinen Verlust der Gemeinnützigkeit, obwohl die Kriterien des Anwendungserlasses nicht erfüllt werden.
  • Mehr als ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass das zuständige Finanzamt eine politische Positionierung des Trägers und seiner Bildungsarbeit als fehlende „geistige Offenheit“ oder als „einseitige Agitation oder unkritische Indoktrination“ bewerten könnte. Letzteres befürchtet die Hälfte der Befragten bei Trägern, die sich vor allem an Menschen richten, deren Stimmen in der Gesellschaft wenig Gehör finden.
  • Mehr als zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass die Finanzämter die Träger nicht objektiv und neutral, sondern abhängig von deren gesellschaftlicher Stellung überprüfen.
  • Die Befürchtungen unterscheiden sich deutlich. Sie sind stärker bei Trägern mit hauptberuflichem Personal und bei jenen, die selbst oder deren Adressat*innen eine schwache gesellschaftliche Stellung haben.
  • Im Falle eines Entzugs der Gemeinnützigkeit verfügt lediglich ein gutes Viertel der Träger über hinreichende Ressourcen, um den Rechtsweg vollständig zu beschreiten.